Blogbeitrag

Weihnachtsbaum Justitia Römer (2007)

Wie kann ich mich da freuen.

9. Dezember 2021

Sonntagsbotschaft zum 12. Dezember 2021, dem 3. Adventssonntag im Lesejahr C. 

Freust du dich? Freust du dich über das, was im Augenblick um dich herum geschieht? Freust du dich auf das, was bevorsteht, was jetzt kommt?

„O du fröhliche Weihnachtszeit“, tönt es schon Wochen vorher. Und ähnlich die Aufforderung aus der Bibel an diesem 3. Adventssonntag: „Freut euch!“

Und wenn dann in der Kirche gesungen wird „Freut euch im Herrn, denn er ist nah …“ – in zäher Dehnung, irgendwie gequält klingend, dann fühle ich mich bestätigt: Ich kann mich nicht auf Kommando „freuen“. Schon gar nicht, wenn Einschränkungen und Enttäuschungen sich häufen.

Natürlich kann ich mir jetzt ein schlechtes Gewissen machen lassen: „Wer sich nicht freuen kann, lässt es an Glauben fehlen.“ Mag sein. Aber hat nicht alles seine Zeit? Kannst du dich freuen, wenn um dich herum alles den Kopf einzieht und seufzt?

Was machen wir dann mit diesem Sonntag, der bei vielen immer noch „Gaudete!“ heißt, auf Deutsch: freut euch!

Okay, ich lasse mich provozieren. Denn: die Alternative – das einfach hinnehmen und links liegen lassen – das hieße für mich: Ich gestatte – wem auch immer – mich links liegen zu lassen.

Also frage ich: Wenn das ernst genommen werden will, wie kommt die Kirche, die Tradition, wie kommt Gott dazu, mich angesichts von Stress und Frust zur Freude aufzufordern!

Um nicht missverstanden zu werden: Meine Frage ist nicht nur – wie so oft – das Kleid, das einen Vorwurf bemäntelt: „Wie kannst du nur!“ Meine Frage kommt vielmehr aus drängender Neugierde: Was bringt dich, was bringt euch, was bringt die Bibel dazu, ernsthaft und trotz allem von mir zu erwarten, ich könnte, sollte, müsste – mich freuen?! Worüber? Oder: worauf?

Bringen denn die Schriftlesungen des Sonntags etwas dazu?

Da nennt die 1. Lesung aus dem kleinen Buch des Propheten Zefanja als Anlass zur Freude:

Der HERR hat das Urteil gegen dich aufgehoben
und deine Feinde zur Umkehr gezwungen.
Der König Israels, der HERR, ist in deiner Mitte;
du hast kein Unheil mehr zu fürchten.
(Zefanja 3,15)

„Urteil“? „Aufgehoben“? Welches Urteil gegen die Stadt und das Volk? Wer hatte über sie geurteilt? Wie lautete das Urteil? Was war das für eine Bedrohung durch welche Feinde, die der HERR jetzt mit der Aufhebung des Urteils zur Umkehr gezwungen hat, so dass das Volk kein Unheil mehr zu fürchten braucht? Und wodurch hat der HERR, der als König Israels in seiner Mitte ist, für diese entlastende Beruhigung des Volkes gesorgt? Was hat er gemacht, wodurch er die Feinde zur Umkehr gezwungen hat?

Wie sollen mir diese Worte zur Botschaft werden, wenn ich nicht weiß, worauf sie sich beziehen?! Also nehme ich die Bibel und schaue nach, um welche Zusammenhänge es da geht.

Oh, ausführlich ist da die Rede von einem krassen sozialen Verfall, mit dem das Volk sich von Gott entfremdet hat. Da redet nicht ein Schüler von Karl Marx im vorweihnachtlichen Einkaufszentrum, sondern Gott selber; das betont der Prophet Zefanja immer wieder: „Spruch des HERRN“!

Es ist die Regierungszeit von Manasse, von 699 bis 643 König von Juda unter assyrischer Oberherrschaft.

Die Anerkennung dieses Buchs des Propheten Zefanja als Teil der Bibel zeigt, dass die jüdisch-christliche Glaubenstradition sich dieser Botschaft anvertraut.

Sie haben Gott den Rücken zugekehrt (1,6), mit Gewalt und Betrug beuten sie das Volk gewissenlos aus. So beurteilt Gott die Amtsträger am Hof, die Königssöhne und die Händler Jerusalems, die sich auf Kosten der Armen bereichern (1,8-9). Mit ihrem Niederwerfen auf den Dächern (1,5) und ihren fremdländischen Kleidern (1,8) – nach Art ihrer assyrischen Oberherrscher – zeigen diese „mit Silber Beladenen“ (1,11), „die dick geworden sind auf ihrer Hefe“ (1,12), dass sie nur ihre Götzen von Besitz, Wachstum und Reichtum anbeten. Gott greife eh nicht ein (1,12), meinen sie.

Der Glaube an den Gott Israels, der für das Volk Wohlergehen und Recht will und Respekt gegenüber der Würde des Menschen, solcher Glaube ist für sie höchstens noch Glitzerdekoration, aber nicht mehr die Lebensgrundlage im Volk, wofür sie doch aber Verantwortung tragen!

An der Führungsschicht lässt der Prophet kein gutes Haar übrig:

Ihre Amtsträger in ihrer Mitte sind brüllende Löwen.
Ihre Richter sind Abendwölfe, die morgens Knochen malmen.
Ihre Propheten sind Schwätzer, treulose Männer.
Ihre Priester entweihen das Heilige,
tun der Weisung Gewalt an.
(Zefanja 3,3-4)

Gott, der das Volk liebt, kann das nicht hinnehmen!

Der HERR tritt für das Recht ein in ihrer Mitte, … (3,5)
Mein Rechtsspruch lautet:
Ich schütte meinen Groll über sie aus,
die ganze Glut meines Zorns. (3,8)
Ich entferne aus deiner Mitte die überheblichen Prahler. (3,11)

Die Übeltäter sucht er heim, heißt es wiederholt (1,9 und 1,12).
Und:

Ein Tag des Zorns ist jener Tag. (1,15)
Weder ihr Silber noch ihr Gold kann sie retten. (1,18)
Nein, ihre Reichtümer werden geraubt
und ihre Häuser verwüstet. (1,13)

Dem einfachen Volk macht der Prophet Mut:

„Sucht den HERRN, all ihr Gedemütigten im Land“ (2,3)
„Ich lasse in deiner Mitte übrig ein demütiges und armes Volk …
als Rest von Israel“ (3,12-13)
Deinem Unglück mache ich ein Ende,
du musst nicht mehr Schmach ertragen …
ich schreite ein gegen alle, die dich unterdrücken.“ (3,18-19)

Er richtet alles wieder her. Er richtet’s. Der schon nicht mehr ersehnte Richter. Er schafft wieder Recht unter den Menschen!

Und das nicht nur in Israel; das ist nur der Anfang: Er bringt die Wende und schafft eine Welt von in seinem Menschenrecht vereinten Nationen (3,9-10).

Daran findet Gott selber seine Freude und jubelt. (3,17) Und die Gewissheit, dass dieser Gott schon da ist und jetzt kommt und Recht schafft aus aller Unterdrückung, – das ist in der Tat Anlass zur Freude – der Anlass zu dem großen Frohlocken, zu dem dieser Sonntag animiert.

„Tochter Zion, freue dich, jauchze laut, Jerusalem!
Sieh, dein König kommt zu dir, ja er kommt, der Friedefürst.“
(G. F. Händel)

Also doch: Freut euch! Der Herr ist nahe!

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