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Feuer für den Frieden

5. Juni 2025

Festbotschaft zu Pfingsten 2025. 

Hass und Gewalt, befeuert durch einen Mix aus Erfahrungen und Fantasien und verstärkt in den „sozialen Medien“, – das schüchtert Menschen ein. Sie reagieren mit Strategien, die vermeiden sollen, dass man von Gewalt oder Übervorteilung getroffen wird. – Wenn dann noch Frust dazukommt über unbezahlbaren Wohnraum, über immer häufiger extremes Wetter und überhaupt, weil der Lebensraum unzuverlässig geworden ist und weil die Gefährdungen unübersichtlich geworden sind, weil Kontrollverlust alle Lebensplanung zur Illusion macht, – dann sind die Chancen kaputt für ein fruchtbares Miteinander in Solidarität und Verantwortung, in Wertschätzung und Gemeinsinn.

Umso erstaunlicher finde ich immer wieder das Ausmaß an spontaner Hilfsbereitschaft vieler Menschen in aller Art von Notsituationen, den millionenfachen ehrenamtlichen Einsatz fürs Gemeinwohl und wie kraftvoll um Demokratie gerungen wird. Menschen lösen sich von Festlegungen auf herkömmliche Gewohnheiten, die eigentlich mit abschreckenden Sanktionen bewehrt waren, und sie entdecken zunehmend „Lebensqualität für alle“ als einen neuen, für alle Politik relevanten Wert.

Ja, wenn ich den Geist zu verstehen versuche, der in der aktuellen Welt das Miteinander beherrscht, – dann zeigt sich eine Mischung aus bedauerlichen und erfreulichen Aspekten!

Und da mittendrin feiern Christen mit Pfingsten einen richtungweisend neuen Geist als Vollendung von aller durch Ostern gezündeten Neubelebung.

Worum geht es da? Auf welche Aspekte des Lebens bezieht sich solche österliche Neubelebung? Und wie geschieht es, dass dieser neue Geist neu belebt?

Die vielen Bibeltexte, die für die Gottesdienste an Pfingsten zur Auswahl vorgesehen sind, spiegeln eine Vielfalt von Aspekten. Es gilt also jeweils neu, empfangsbereit sich zu öffnen: Welches Wort der Bibel will uns anrühren, um in welchem Aspekt unserer heutigen Situation das Leben neu zu befeuern? –

Also sichte ich diese Bibeltexte und frage: Welche Zusammenhänge mit heute leuchten da unmittelbar ein?

Am auffälligsten finde ich zwei Abschnitte, in denen es um die Frage nach Verständigung unter den Menschen geht; zwei Texte, die sich sehr kontrastreich unterscheiden und anscheinend sich gegenseitig ergänzen wollen: aus dem Buch Genesis die Erzählung vom Turmbau zu Babel und aus der Apostelgeschichte die Erzählung vom feurigen Sturm des Geistes bei den Aposteln.

Genesis (11,1-9): Da ist die Stadt. Sie bauen. Immer höher. Sie nutzen die verdichtete Konzentration der Menschenmenge. Wenn viele eine Sprache sprechen, kriegt man das hin, wenn man das gut nutzt. Wenn sich alle einfügen müssen, was sollte dann unerreichbar sein! Wachsen bis in den Himmel. Einen Namen machen: Wir sind die Nummer Eins! – Du verstehst nicht? Dann weg mit dir! – Und dann? Großes Durcheinander. Streben nach Gerechtigkeit wird zur Überbürokratisierung. Streben nach Absicherung wird zur Unbezahlbarkeit. Wirrnis. Zu Deutsch: „Babel“. Später genutzt als Chiffre für Rom. Heute Frankfurt?

Und dazu die Apostelgeschichte (2,1-11): Menschen aus vielen Gegenden der damaligen Welt sind zusammengeströmt. In Jerusalem. Jeder spricht eine andere Sprache. Aber dann geschieht es: Noch verstecken sie sich ängstlich – die Anhänger des hingerichteten Jesus, der die zersplitterte Welt zusammenbringen wollte zu einem humanen Miteinander im „Reich Gottes“, wie er es genannt hatte. Da fegt ein heftiger Sturm in sie hinein und feurig begeistert stürmen sie hinaus. Gehen auf die Menschen zu. Angetrieben durch den Geist, der Jesus selber belebt. Und alle die fremden Menschen in der Stadt verstehen staunend, was sie da reden von „Gottes großen Taten“ und von seiner Liebe zu allen Menschen, mit der jetzt er sich einen Namen macht! Das eint sie. In einer anderen Welt wachen sie auf!

Und die anderen zur Auswahl vorgesehenen Bibeltexte illustrieren jeweils unterschiedliche Aspekte, die je nach Situation zu Botschaften von zentraler Bedeutsamkeit werden können:

Exodus 19 (3-8a.16-20): Wie auf Adlerflügeln hat Gott das Volk aus der Unterdrückung durch die Ägypter herausgeholt und in das Land gebracht, in dem sie leben können! Sein spezielles Eigentum – wehe, jemand will dem Volk etwas antun! Was für große Taten, mit denen ER sich jetzt einen Namen macht! Zum Glück haben sie sich darauf eingelassen und Ja gesagt! Was für eine zukunftsträchtige neue Sicht auf das, was sie zum Volk macht und wie sie als Volk verfasst sind: Heilig, mit unverletzlicher Würde jeder Einzelne und all ihr Miteinander!

Deshalb holt er sie, zerstreut über ganz Babylon, wieder heraus aus all ihren Gräbern der Ausbeutung und der Hoffnungslosigkeit. Sich und untereinander und ihrem Gott entfremdet, bläst er aus dem Mund des Propheten Ezechiel (37,1-14) ihnen neuen Lebensatem ein und versetzt sie wieder – stark und kräftig – in ihr Land. Frieden kann werden. Daran können sie ihn wiedererkennen: Was haben wir einen großen Gott!

In diesem Lebensraum gelten alle gleich viel – betont er durch den Propheten Joel (3,1-5): Jung und Alt, gesund oder krank, Einheimische wie Zugewanderte. Alle belebt er mit seinem Lebensatem, die ihn suchen und anrufen und die sich von ihm rufen lassen, also alle, die dazugehören wollen zu diesem so verfassten Miteinander. Auf sie teilt er seinen Geist auf, so dass sie alle teilhaben und teilnehmen an der gemeinsamen Lebendigkeit! Von einer solchen Demokratie konnte man zu allen Zeiten bis heute nur träumen.

Wie das in der Realität gehen kann, das beschreibt der Apostel Paulus immer wieder mit dem Vergleich zum menschlichen Organismus: So unterschiedlich da die Organe, Zellen und Glieder und ihre Fähigkeiten auch sind, – es braucht sie alle und alle sind sie wichtig für ihr Zusammenwirken. Der Geist, der die Lebendigkeit des ganzen Leibes fördert, wirkt, indem er sie alle zu dem ihnen jeweils eigenen Beitrag – mit denen der anderen gut aufeinander abgestimmt – stärkt und ermutigt.

Bei Paulus (1. Korinther 12,3b-7.12-13) heißt das dann: Aufgenommen als Glieder im Leibe Christi und getränkt mit seinem Heiligen Geist, leben alle ihre verschiedenen individuellen Gnadengaben, Kräfte und Dienste in einem und demselben Organismus und zum gegenseitigen Nutzen. Als Einheit in einer gut aufeinander abgestimmten Vielfalt.

Und da diese Lebendigkeit im Miteinander von allen, die das wollen, in den Realitäten dieser Welt sich überallhin ausbreiten will, zeigt sich der darin führende Geist mit seinen Besonderheiten als Gottes Geist vor allem dort, wo entgegengesetzte Kräfte die Menschen zwingen zum Mitmachen in einem System, in dem sie nur so viel gelten, wie sie den herrschenden vergötzten ideologischen Werten zu dienen bereit sind. Ägypten und Babylon, Hass und Gewalt werfen überall ihre Samen aus.

Die Auseinandersetzung damit ist wesentlich für jeden Organismus, der Gottes Geist lebt. Das heißt, ein solches Leben geht nicht ohne Seufzen und Schmerzen. Jeweilige Gegenseiten regen aber dazu an, alle die Situationen und Tätigkeiten zu meiden, die solche Schmerzen bereiten, ja schließlich sogar ans Kreuz bringen könnten.

Schon Paulus betont deshalb in seinem Brief an die Gemeinde in Rom (Römer 8,22-27), wo es für Christen besonders konfliktreich zugehen konnte, wie wichtig es dabei ist, die Perspektive im Blick zu behalten, wo hinein die schmerzhafte Auseinandersetzung münden will: nicht in Niederlage und Tod, sondern als Geburtswehen zu einem neuen Leben, in dem Gottes Geist herrscht.

„Wer Durst hat“, so überliefert das Johannes-Evangelium (7,37-39) das Wort von Jesus, „komme zu mir“ und lasse sich volllaufen von seinem Geist, der zum Beistand wird. Ströme von Leben werden dann aus ihm selber fließen. Wer so empfängt, kann dann reichlich geben!

Und wenn das alle gemeinsam nehmen als das, wovon und wofür sie leben – dann gibt er sich zu erkennen und vollendet Ostern mit seiner Zusage: „Friede mit euch!“ (Johannes 20,19-23)

Und die Christen-Gemeinde von heute, die sich die Botschaft solcher Bibelworte am Pfingstfest neu zu eigen macht, ruft dann voller Freude und Hoffnung aus:

Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen und entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe!

Sende aus deinen Geist, und das Antlitz der Erde wird neu!

 

 

Zur Festbotschaft von Pfingsten, wie ich sie in den vergangenen Jahren gehört und verarbeitet habe, siehe auch die „Sonntagsbotschaften“ von

2024 „Der Wert des Menschen ist unbezahlbar“??? (13’29)
https://rainer-petrak.de/der-wert-des-menschen-ist-unbezahlbar/
Fokus: achtungsvolle Zuwendung statt Kommerzialisierung – der Mensch gewordene Gott bietet sich und seinen Geist als Alternative der Verständigung zum Frieden

2023 „Geistwechsel“ (9’47)
https://rainer-petrak.de/geistwechsel/
Fokus: „anderer Geist“ für unsere Welt! Frieden und Vergebung aller Schuld – Blick auf die Gegenkräfte, um ihnen begegnen zu können: Vergötzung des Eigentumsrechts der Reichsten und Absicherung errungener Privilegien gegenüber den Armen.

2022 „Neuer Geist – neue Welt“ (26’14)
https://rainer-petrak.de/neuer-geist-neue-welt/
Fokus: Sich einen Namen machen, um sich zu unterscheiden von den Namenlos-Bleibenden – das überwindet der neue Geist von Pfingsten, mit dem Verständigung unter den Menschen entsteht – mit einem Blick für den Menschen und Option für die Armen: Perspektive der Betroffenen und das in die entsprechende Sprache bringen.

2021 „Geist für die Welt“ (13’38)
https://rainer-petrak.de/geist-fuer-die-welt/ 
Fokus: Staunen über weltweites Verstehen – entgegen aller Entfremdung im Kontrast zum Machtmissbrauch in Babel. Es geht um Gottes große Taten! Brücke durch Verständigung darüber! Jesus ist gesalbt mit Gottes Geist, damit er den Armen frohe Botschaft bringt: Wüste wird zum Garten, Gerechtigkeit blüht auf! Neuer Atem zum Leben – Geburtsstunde von Kirche.

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