Blogbeitrag

Foto: privat 2023 monstera deliciosa

Großes Staunen

9. Mai 2024

Sonntagsbotschaft zum 12. Mai 2024, dem 7. Ostersonntag im Lesejahr B.

Immer wenn ich einatme, ist genügend Luft für mich da!

Seit über 83 Jahren schlägt mein Herz ohne eine einzige Unterbrechung!

Im Supermarkt, wenige Straßen weiter, kann ich aus einem reichen Angebot auswählen, woraus ich mir dann leckere Mahlzeiten zubereite!

Oder: Wenn ich meinen Neffen in Kalifornien mal wieder sehen und mit ihm reden möchte, geht das tatsächlich ohne jede Mühe oder Aufwand mit einem Zoom-Meeting!

Im Winter, wenn es kalt ist, drehe ich einfach den Temperatur-Knopf auf.

Auch du: Wenn du den Wasserhahn öffnest, kommt immer Wasser heraus – wenn du willst, sogar warmes!

Und wenn es abends in meiner Wohnung dunkel wird, brauche ich nur einen der Schalter zu drücken und schon ist es für mich hell genug!

Überhaupt zum Stichwort Wohnung: Der Schlüssel in meiner Tasche öffnet mir den Zugang zur Wohnung, in der ich Ruhe und Geborgenheit finde. Was für ein Privileg!

Mein Auto, das eh schon seit Jahren fast nur noch in der Garage steht, melde ich diesen Herbst ab; mit Bus und Bahn komm ich auch überall hin. Da bin ich immer noch „freier Bürger“. Wenn ich dabei auch vielleicht deutlicher spüre, dass ich „abhängig“ bin und auf andere und auf ein System „angewiesen“. Aber ich plane dann halt und nehme mir mehr Zeit dafür.

Oder: Wenn die Sonne der Nacht ein Ende setzt, wache ich auf für einen weiteren Tag mit vielen Möglichkeiten, erfüllt zu leben.

Schmerzen und körperliche Einschränkungen, die das Alter mit sich bringen, fange ich auf durch veränderte Gewohnheiten.

Täglich bietet sich mir viel Zeit an, vierundzwanzig Stunden jeden Tag! Ich kann sie nutzen, wie es mir gut tut oder wie ich sie in Beziehung setzen will zu Sorgen und Hoffnungen von Menschen in meiner Umgebung.

Immer wieder nach einer Schuld, von der ich gemeint hatte, sie nie wieder gut machen zu können, sah ich plötzlich die Wende ins Segensreiche, die das genommen hatte!

Herausforderungen, gegen die ich mich erst wehrte, erwiesen sich schließlich als Entdeckungsreise zu Fähigkeiten, die ich an mir nicht geahnt hatte.

Dass es nun ein Ende hatte mit dem Gipfelstürmen vergangener Urlaube, mutierte zur Entdeckung anderer Möglichkeiten, die ich sonst immer links und rechts neben den Wegen bergauf hatte ungenutzt liegen lassen.

So vieles ist da und bietet sich mir an, was ich zum Leben brauche! Und so viele Möglichkeiten sind mir vorgegeben; ich muss sie nur ergreifen und nutzen – manchmal mich einüben.

Was für ein funktionierendes Netzwerk an Chancen! Und wie viele Menschen haben dazu beigetragen!

Im Lauf der Zeit ist mir klar geworden: Vieles davon gilt mir so selbstverständlich, dass ich mir dessen gar nicht bewusst bin; und dann kann ich mich auch gar nicht darüber freuen oder dankbar darüber staunen.

Die fatale Kehrseite davon ist: Ich übersehe dann leicht, dass diese mir vorgegebenen Chancen meistens in ihrer Menge begrenzt sind, obwohl sie sich für Milliarden von Menschen anbieten. Raubbau an gegebenen Schätzen kann nicht nur unversehens zur Neige gehen, sondern auch andere vorgegebene Lebenszusammenhänge schädigen.

Nur wenn ich mir der selbstverständlich genossenen Vorgaben bewusst werde, kann ich die Verantwortung erkennen, dass ihr weiterer Bestand hegende Pflege braucht und dass sie für eine Nutzung durch alle Menschen da sind! Nur wenn ich das Leben, das ich liebe, als Geschenk gerne annehme, werde ich die Freiheit entfalten, diese Liebe mit möglichst vielen anderen zu teilen.

Hoffentlich gibt es viele andere, die das auch so sehen und wollen!

Da weiß ich mich – über die Jahrhunderte hinweg – in guter Gesellschaft mit all denen, die es ernst meinen mit einem Lebensstil, der im Glauben an den Gott der Bibel gründet.

An diesem Sonntag freue ich mich dann wieder an dem Wort aus dem 1. Johannesbrief:

Wenn Gott uns so sehr geliebt hat,
dann müssen auch wir einander lieben! …
Wir haben geschaut und bezeugen,
dass der Vater den Sohn gesandt hat
als den Retter der Welt.
(1. Johannes-Brief 4,11-16 = 2. Lesung vom Sonntag)

Als Inbegriff meiner Perspektive hatte ich schon meinen Primizspruch vor 55 Jahren ausgewählt: „die Liebe Christi weitergeben“!

Heute würde ich eher sagen: Die Liebe, die ich von Christus immer wieder geschenkt bekommen habe, die will ich unbedingt mit anderen Menschen teilen und sie ausbreiten, so gut es geht!

 

Die Bibeltexte dieses Sonntags geben natürlich noch viel mehr Hilfreiches und Anregendes her. Gerade für unsere Zeit der strukturellen Veränderung in den Kirchen und daher zunehmend distanzierter Fremdheit zwischen Priestern und Gemeinden empfehle ich gerne, was ich vor drei Jahren verstanden habe:

Da ging ich aus von Jesus, der im Evangelium im Gebet seine Bitte für die Menschen dem Vater ans Herz legt mit dem Wort „… damit sie eins sind wie wir …“ (Johannes 17,11). Darin greife ich dann auf, wie ein Arbeitskreis der Gemeinde – ohne meine Mitwirkung – daraus Konsequenzen zog für die Gestaltung des Gottesdienstes – immerhin der Ort, wo die meisten Menschen mit Gott und seinem Wort bewusst in Berührung kommen:
https://rainer-petrak.de/miteinander-eins-sein/

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