über mich

Erinnerungen von Thomas Pfeffer (aus 1990 bis 1993)

von Thomas Pfeffer | 20.9.2010 

1990

Wenn ich mich an meine Jugend erinnere, so war Glauben immer mit Zwang verbunden, die Predigten in unverständlichem Latein und der Kindergottesdienst vom strengen Blick des Pfarrers geprägt. Als Religionslehrer hatte er jeden von uns genau im Blick und es scheute ihn wenig, seine schon im Religionsunterricht nicht verstandenen Fragen auch im Gottesdienst zu stellen. Manchmal war ich mir nicht sicher, ob der Gang zum Zahnarzt schlimmer oder schmerzfreier war als die sonntäglichen Besuche im Gottesdienst. Die vielen Bilder die wir in der Kommunionvorbereitung gemalt hatten, passten so gar nicht zum strengen Auftreten unseres Pfarrers. Es lag also auf der Hand, dass nach der 1. Heiligen Kommunion Schluss mit der „Sache“ Glauben, Kirche und Pfarrer war. So verlor ich über zwei Jahrzehnte den Kontakt zur Herz-Jesu-Gemeinde – meinen Glauben behielt ich ganz für mich.

Im Jahre 1990 war klar, dass meine Frau und ich heiraten werden. Ein erster Gedanke, dies auch als Sakrament zu feiern, kam auf. Wir wollten beide diesen Weg gehen, so dass wir dann eines Tages in der Sprechstunde des Pfarrers saßen – unschlüssig ob dies der richtige Weg und die Gemeinde die richtige Adresse war. Der Pfarrer hatte gewechselt, so dass ein neuer Anfang auch eine neue Chance bedeutete. Wir sprachen viel über Glauben, aber auch über Solidarität, Nächstenliebe, über Wege zu Gott und über Gemeinde. Ich lernte ein neues Verständnis kennen, plötzlich stand nicht nur das Beten im Vordergrund, sondern viel mehr der Mensch im Sinne Gottes. Fragen des Miteinander, der manchmal auch politischen Gestaltung waren wichtig und wurden diskutiert. Die Ehe – ja, sie war auch ein Thema – , die Liturgie des Gottesdienstes, die Einstellung zum Glauben, zu Kindern, zu den Sakramenten. Dennoch war ich überrascht, wie sehr der Mensch mit seinen Problemen die Arbeit der Gemeinde mitbestimmte. Es deutete auf eine sehr lebendige, eine politisch kritische und offene Gemeinde hin. Die Tür zum Glauben war wieder offen und sollte nicht mehr geschlossen werden.

1991 Ostern

Hochzeit und Geburt der Tochter folgten und mit jedem neuen Ereignis kam ich dieser Gemeinde ein Stück näher. Gerne erinnere ich mich an die Gespräche im Taufseminar, an das Fragen und Suchen nach Antworten. Uns war das Sakrament genauso wichtig wie die Diskussionen um Erziehung und Glaubensbindung. Es waren sehr kontroverse Abende; man konnte der Amtskirche auch widersprechen. Aber sie blieben bis zum Schluss spannend und machten Hoffnung auf mehr. Jetzt kamen auch schon die ersten Bücher zu Glaubensfragen ins Regal, ich erinnere mich an Gerhard Lofink „Jetzt verstehe ich die Bibel“ oder Georg Betz „Verehren wir den falschen Gott?“ Es ist über die Jahre mehr geworden, dennoch schaue ich auch heute immer gerne wieder in die ersten Bücher, die ich im Glauben lesen und verstehen konnte – Literatur die mir vorher niemand zeigte.

Am Ende der Taufgespräche stand der Taufgottesdienst in der Osternacht. Ein Erlebnis großer Tiefe und Respekt vor Glauben in dieser Form. Viele Menschen mögen das anders sehen, mir hat es viel an Eindrücken geben können – ein Schritt in die richtige Richtung.

1993 Familienwochenende

Zwischenzeitlich war ein zweites Kind dazu gekommen und wir wollten auch als Familie der Gemeinde näher rücken. Das erste Familienwochenende war gebucht und wir waren sehr gespannt auf unsere Eindrücke. Es war eine sehr herzliche Atmosphäre, in der trotz aller Lebendigkeit intensiv gearbeitet wurde. Die Situation von Kirche und Gemeinde in einem Arbeiterstadtteil kennzeichneten viele Gespräche. Plötzlich war eine Gemeinde ganz nah am Menschen, an ihrer Lebenssituation im Stadtteil. Arbeitslosigkeit und Armut bestimmten den Dialog – manchmal auch unsere Hilflosigkeit. Der Wille war dieser Gemeinde aber anzusehen, dass man dies nicht ohne Widerspruch hinnehmen werde. Endlich empfand man Gemeinde genau da, wo sie hingehört – mitten unter den Menschen. Ja, wir beteten auch – auch viel – , aber wir entwickelten so viele Ideen für unsere Mitbürger, für den Stadtteil, dass es Spaß machte, dabei zu sein. Und als am letzten Abend die Pfarrhaushälterin mich fragte, ob ich nicht diese Freude auch in ein Gremium der Gemeinde einbringen wollte, war klar, dass ich bei der nächsten Pfarrgemeinderats-Wahl in dieser Gemeinde kandidieren werde – und die Entscheidung habe ich bis heute nicht bereut!