Blogbeitrag

Stall (2023)

Mir geschehe, wie du es gesagt hast

21. Dezember 2023

Hier die Sonntagsbotschaft zum 24. Dezember 2023, dem 4. Adventssonntag (Lesejahr B).

Und die „Sonntagsbotschaft“ zum Weihnachtsfest? Zur Auswahl bitte herunterscrollen bis zum Ende des Lesetextes.

„Mir geschehe, wie du es gesagt hast.“ Haben Sie diesen Satz schon mal gehört?

Okay, auch wenn Sie wissen, wer das zu wem gesagt hat, lassen wir erst mal die Personen und die konkrete Situation beiseite, um die es im Evangelium dieses 4. Adventssonntags mit diesem Satz geht. Ich finde bedenkenswert, was ein Mensch tut, wenn er so zu jemandem spricht.

Mir persönlich liegen solche Worte in dem Sinne nahe, dass ich in einer Mischung von drängender Ungeduld und fordernder Zuversicht sage: „Du, Gott, hast mir und uns allen schon so vieles gesagt – Wunderbares und worauf schon kaum jemand mehr zu hoffen wagt – Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung. – Dann soll es doch auch jetzt bitte geschehen – mir und allen!“

„Mir geschehe, wie du es gesagt hast.“

In einer anderen Erlebnisweise dieses Satzes könnte man auch nüchtern sagen: „Ich nehme jetzt Stellung zu dem, was du eben gesagt hast, was mit mir geschehen soll: Nämlich: Ich stimme zu.“

Allerdings – das kann ja von sehr unterschiedlicher Art sein – „Du hast mir etwas gesagt“ – etwas über mich und meine Zukunft und was da geschehen soll:

Das kann eine Vermutung sein, in Fachkenntnis gegründet oder in Lebenserfahrung oder in einem Informationsvorsprung irgendeiner anderen Art, so dass der andere vielleicht besser einzuschätzen vermag als ich, was sich für mich abzeichnet.

Es kann eine Ankündigung sein, eine Absichtserklärung.

Es kann eine Warnung sein oder eine Drohung. Oder auch eine Aufmunterung. Oder da verspricht der andere mir etwas, wofür er die Gewähr übernimmt, weil er es selber herbeiführen wird.

Je nachdem wie das gemeint ist, – vielleicht noch mehr: je nachdem wie das bei mir ankommt, werde ich ganz unterschiedlich reagieren auf eine solche Ankündigung, was mit mir geschehen wird.

Wenn da einer über meine Zukunft etwas vermutet oder behauptet, wird er mir erst mal sagen müssen, wie er dazu kommt und warum ich seinen Worten vertrauen sollte. Oder ich tue seine Worte von vornherein mit einem Achselzucken ab, weil mir unwichtig ist, was diese Person sagt.

Und wenn eine Person zur anderen sagt „Ich liebe dich“, zumal unterstützt durch Körpersprache, dann ist das noch etwas Anderes als eine Information oder eine Vermutung!

Und noch etwas ganz Anderes läuft ab, wenn ein Richter sagt: „Im Namen des Volkes: von der Anschuldigung, für die Sie in Untersuchungshaft sitzen, werden Sie freigesprochen.“

Oder wenn eine Prüfungskommission mir ihre Entscheidung mitteilt und damit wirksam macht: „Sie haben die Prüfung bestanden.“

Oder wenn ein Notar bei einer Testamentseröffnung zu mir sagt: „Sie sind der Alleinerbe.“

Da geschieht etwas – dadurch, dass es ausgesprochen wird. Manchmal hängt, ob es wirksam wird, davon ab, dass ich ausdrücklich zustimme.

Seit einiger Zeit kommt mir zunehmend in den Blick, dass am Ursprung meiner persönlichen Existenz wie bei jedem Menschen, ja wie bei jedem Lebewesen, auch so etwas abläuft – zwar nicht akustisch wie beim Reden, eher schon schriftlich, wie wenn mir ein Bescheid zugestellt wird: nämlich wie die vier „Buchstaben“ kombiniert und „übersetzt“ werden, aus denen die „Worte“ oder der „Satz“ des genetischen Codes besteht, der das Ererbte an meiner Person festlegt.

Und dieses Geschehen, das mir so vieles an mir selbst vorgibt, erinnert mich wiederum an die Worte des Schöpfers, von dem in der Bibel immer wieder gesagt ist: „Gott sprach: … – Und so geschah es.“

Je nachdem, ob jemand mir mit seinen Worten eine Information mitteilt oder unsere Beziehung zueinander verändert oder eine Verfügung trifft, die sich auf mich bezieht, fällt auch meine Reaktion, meine Stellungnahme sehr unterschiedlich aus.

Wenn der Schöpfer – andere sagen: der Zufall – über meine Gene verfügt, entfällt meine Stellungnahme. Das wird mir vorgegeben. Ich werde nicht gefragt. Höchstens kann ich mich später irgendwann über das eine oder andere Merkmal meiner genetischen Ausstattung ärgern oder freuen.

Ein Erbe, das mir zugesprochen wird, kann ich annehmen oder ausschlagen.

Eigentlich mag ich es nicht, wenn andere über mich verfügen, ohne dass ich ein Wort mitreden kann. Je gewichtiger mich etwas betrifft, umso mehr will ich, dass meine Menschenwürde berücksichtigt wird und dass ich selber es bin, der über mich entscheidet.

Und da lautet der Satz, um den es mir für diesen Sonntag geht: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast.“

Da stimmt also die Person zu und anscheinend wird dadurch die Entscheidung wirksam.

Ob sie sich dazu unter Druck gesetzt sieht oder ob, was da angekündigt wird, ihr eine Sehnsucht erfüllt, ob es ihr Angst macht oder einfach lästig ist, ob sie sich darüber freut, über alles das wird nichts gesagt.

Lediglich betont der Text – und damit bekommt das hier Erzählte noch mehr Gewicht – , dass die angesprochene Person das eigentlich gar nicht für möglich hält, was angeblich mit ihr geschehen soll.

Das ist wie beim alten Israel in Ägypten, wo die Unterdrückten und Versklavten von Gott das eigentlich Unmögliche hören: dass er sie hinausführen will in die Freiheit – und zwar alle die, die dem zustimmen, sich darauf einlassen und das – in der Vorfreude auf die Befreiung – mit dem Feiern eines Festes bezeugen: Uns geschehe, wie du, Mose, es gesagt hast!

Und nachdem sie dann mit ihrem Gott ihre erste Erfahrung der Befreiung gemacht haben – elementare, großartige Erfahrung! – , – auf dem sich anschließenden beschwerlichen Weg durch die Wüste sehen sie sich wieder konfrontiert mit seiner Zusage einer guten Zukunft, die mit ihnen geschehen soll. Wieder verfügt da nicht ein autoritär Herrschender, sondern es geht um die Menschenwürde, mit der er sie geschaffen hat: um die Augenhöhe unter Partnern beim Bundesschluss. Also sollen sie sich zu seinem Angebot in Beziehung setzen, sollen Stellung beziehen, ob sie damit einverstanden sind. Er verspricht: Es soll mit den Menschen geschehen, die das mit ihm wollen. Denen, die das nicht wollen, wird er die Verantwortung für eine freie Entscheidung respektieren und sein Vorhaben nicht überstülpen oder durchsetzen.

Hier wiederholt sich anscheinend immer wieder ein Grundmuster in der Beziehung zwischen Gott und denen, die sein Volk sein wollen.

„Mir geschehe, wie du es gesagt hast.“

So spricht im Lukas-Evangelium Maria, die Jesus zur Welt bringen wird. Es ist die Antwort auf die zusammengefasste Botschaft, die der jungen Kirche im Umfeld des Lukas nach ihren Erfahrungen mit Tod und Auferstehung von Jesus zunehmend einleuchtet:

In jener Zeit wurde der Engel Gabriel
von Gott in eine Stadt in Galiläa
namens Nazaret
zu einer Jungfrau gesandt.
Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt,
der aus dem Haus David stammte.
Der Name der Jungfrau war Maria.
Der Engel trat bei ihr ein und sagte:
„Sei gegrüßt, du Begnadete,
der Herr ist mit dir.“
Sie erschrak über die Anrede
und überlegte,
was dieser Gruß zu bedeuten habe.
Da sagte der Engel zu ihr:
„Fürchte dich nicht, Maria;
denn du hast bei Gott Gnade gefunden.
Siehe,
du wirst schwanger werden
und einen Sohn wirst du gebären;
dem sollst du den Namen Jesus geben.
Er wird groß sein
und Sohn des Höchsten genannt werden.
Gott, der Herr,
wird ihm den Thron seines Vaters David geben.
Er wird über das Haus Jakob
in Ewigkeit herrschen
und seine Herrschaft wird kein Ende haben.“
Maria sagte zu dem Engel:
„Wie soll das geschehen,
da ich keinen Mann erkenne?“
Der Engel antwortete ihr:
„Heiliger Geist wird über dich kommen
und Kraft des Höchsten
wird dich überschatten.
Deshalb wird auch das Kind
heilig und Sohn Gottes genannt werden.
Siehe, auch Elisabet, deine Verwandte,
hat noch in ihrem Alter
einen Sohn empfangen;
obwohl sie als unfruchtbar gilt,
ist sie schon im sechsten Monat.
Denn für Gott ist nichts unmöglich.“
Da sagte Maria:
„Siehe, ich bin die Magd des Herrn;
mir geschehe, wie du es gesagt hast.“
Danach verließ sie der Engel.
(Lukas 1,26-38)

Uns geschehe, wie du es gesagt hast. Und in dem, was an uns bereits geschehen ist, sollen und dürfen wir ihn erkennen, den der Bote uns beschreibt: Er wird groß sein und „Sohn des Höchsten“ genannt werden, „heilig“ und „Sohn Gottes“. Ihm, aus dem längst abgestorben geglaubten Stammbaum des Königshauses aus dem eigenen Volk, wird Gott, der Herr, Thron und königliche Herrschaft in seinem Volk übertragen. Für immer.

Und für dieses Volk, für diese Gemeinschaft von Menschen, die alle bei ihrer Taufe gesagt haben: „Ja, das will ich“, gilt dasselbe wie für Maria, dem Urbild solcher Kirche:

Das können wir uns nicht machen. Nur empfangen können wir ihn und uns beschenken lassen – im Vertrauen auf das „Unmögliche“. Dann erfüllt uns Heiliger Geist und Kraft des Höchsten.

Das eigene Ja zur Botschaft des Boten setzt dann das Geschehen in Gang: Wir empfangen ihn, so dass wir ihn zur Welt bringen können. Wir haben ja zugestimmt: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast.“

Eigentlich unglaublich. Und aussichtslos.

Die ersten erleben es dann – am See. Dahin sind sie ja nach seinem Tod zurückgekehrt. Wieder als Fischer (siehe Johannes 21): Nach einer völlig erfolglos durchfischten Nacht meint ein fremder Mann am Ufer, ihnen einen guten Rat geben zu können. Glücklicherweise – entgegen ihrer Fischer-Vernunft – folgen sie sogar seinem Rat. So erkennen sie ihn! Jetzt sind sie in der Lage, ihn in die ganze Welt zu bringen: die Entdeckung der Fülle seiner Gaben auszubreiten und seine umfassende Herrschaft der menschenfreundlichen Liebe.

Neues Menschsein. Denn Gott will Mensch werden. Nicht mehr: Dir geschehe, wie du es verdient hast. Sondern: Mir geschehe, wie du es gesagt hast.

So kann Weihnachten werden.

 

Wie ich die Botschaft dieses Sonntags vor 3 Jahren verstanden habe:

 

Und „Sonntagsbotschaft“ zum Weihnachtsfest 2023 ?

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