Blogbeitrag

1999 schräge Wasserfläche beim Segeln auf dem Atlantik bei Marokko

Völlig unmöglich!

13. April 2023

Sonntagsbotschaft zum 16. April 2023, dem 2. Ostersonntag. 

Wie kannst du zu Jesus „Du“ sagen, mit deinen Klagen und deiner Sehnsucht dich an ihn wenden, zu ihm „beten“, wie du es nennst? Du bekennst doch selber: Er ist gekreuzigt, gestorben und begraben!

Ja. Und ich bekenne: Er ist auferstanden von den Toten!

Du weißt aber: Das ist unmöglich!

Ja, wie komme ich dazu?! Wie kommen Christen dazu, so etwas „Unmögliches“ zu sagen?

Und da mit dieser Behauptung auch alles Andere steht und fällt, was ihr Christen glaubt und denkt und anstrebt, werdet ihr euch auch sicher alles Mögliche einfallen lassen, was beweisen soll, dass Jesus auferstanden ist!

Kaum jemand traut sich, so offen die eigene Distanz zum christlichen Glauben kundzutun. Menschlicher Respekt hemmt die Verächtlichkeit einer Aussage wie „Wie kannst du nur; was du da machst, das ist ja unmöglich!“

Immerhin – religionssoziologische Studien, die entsprechende Befragungen statistisch ausgewertet haben, offenbaren überraschende Unterschiede selbst bei den „Christen“, bei „Katholiken“, „gläubigen Christen“, wenn es um die Frage geht, ob und inwiefern Jesus auferstanden ist.

Schon der sogenannte „Harenberg-Report“ von 1968 hat mich damals beschäftigt. Mit dem Ziel, „einen Blick hinter die Fassade der Volkskirche zu werfen“, hatte „Der Spiegel“ beim Emnid-Institut eine umfassende Umfrage in Auftrag gegeben: „Was glauben die Deutschen?“ Auf die Frage nach der Auferstehung von Jesus stimmten da nur 39% der Befragten der Aussage zu, dass Jesus leibhaftig aus dem Tod auferstanden ist: 53% der katholischen Befragten und 30 der evangelischen.

Auch 1989 stimmten bei einer Allensbach-Umfrage der Aussage des Glaubensbekenntnisses, Jesus ist „auferstanden von den Toten“, nur 50% der Katholiken und 35% der Protestanten zu. (https://fowid.de/meldung/glaubensbekenntnis-katholiken-und-protestanten-1989)

Und bei einer fowid-Umfrage 2004 stimmten noch 21 % der leibhaftigen Auferstehung von Jesus zu. (https://fowid.de/meldung/auferstehung-jesu-1992-2004)

Es ist also schon eine Frage: Wie kommen Christen dazu zu sagen, dass Jesus von den Toten auferstanden ist, und darauf sogar ihre Lebensperspektive zu gründen? Und die Bibel – worauf gründet sie diese Überzeugung?

In den zurückliegenden Wochen habe ich mich dem wieder einmal gestellt und habe mit offen-neugierig beobachtendem Blick nach einer Antwort auf die Frage gesucht: Wie komme ich dazu? Und warum ist mir diese Frage so wichtig?

Abwechselnd habe ich dabei in meine eigene Lebens- und Glaubensgeschichte geschaut und in das, was die Bibel sagt. Da ergibt sich in meiner Wahrnehmung immer wieder eine enge Verschränkung dieser beiden Blickrichtungen: Zu meinen Erinnerungen an lange zurückliegende Erlebnisse und Erfahrungen oder auch an jüngere fallen mir Aussagen der Bibel ein, so dass daraus Erinnerungen an Erfahrungen mit Gott werden. Und umgekehrt: Wenn ich in der Bibel lese und sie zu verstehen suche, fallen mir Erinnerungen aus meiner Lebensgeschichte und aus der heutigen Welt ein.

Wie das gewachsen ist und durch Erprobungen sich bei mir verändert und bestärkt hat, das ist ein langer Weg.

Beispiele für meine „Erfahrungen mit Gott“, der für mich ja immer der auferstandene Jesus ist, lassen sich in meiner Werde-Geschichte vielleicht beim Stöbern in dieser Internetseite erkennen – in der Rubrik „über mich“ (https://rainer-petrak.de/rainer-petrak/), dort unter „Gottes Liebesgeschichte mit mir“ (https://rainer-petrak.de/rainer-petrak/gottes-liebesgeschichte-mit-mir/) – oder auch in der Rubrik „die Bücher“ (https://rainer-petrak.de/die-buecher/), dort vor allem in den Leseproben zu „Mit den Psalmen lebt sich’s anders“ und „Damit Ostern wird“.

Zusammenfassend lässt sich das vielleicht auch so beschreiben:

Gott erkannt habe ich oder Gott bewusst begegnet bin ich in meinem Leben sehr oft in der Weise, dass ich verwunderlich Erfreuliches, das ich erlebte, spontan ihm zugeschrieben und ihm gedankt habe – also in einem tatsächlich so gemeinten „Gott sei Dank!“

Natürlich lassen sich solche Erlebnisse auch anders deuten: als Staunen erregende neue Lernerfahrungen oder als Zufälligkeiten oder als Frucht von „positivem Denken“ …

Dass sich mir aber so oft die Deutung solcher Erlebnisse als Begegnung mit Gott als am nächsten liegend aufdrängt, das gründet sicher in meiner Lebensgeschichte:

Im Alter von etwa 8 bis 12 Jahren, in einer Kindheit ohne Mutter und die von Armut und von Gewalt des Vaters geprägt war, kam ich in der Kirchengemeinde erstmalig in Kontakt mit Glauben an Gott. Da unter Menschen der sein zu dürfen, der ich war; da mich sicher und so etwas wie „zuhause“ zu fühlen, wertgeschätzt, ja gemocht zu sein; dazu passte völlig unkompliziert und für mich als Kind verständlich das dortige Reden von einem liebenden Gott und von seinem Geist unter den Menschen, der aus der Quelle der Bibel und nach dem Muster des Jesus sich immer wieder speist. Diesen Gott habe ich da ganz einfach erlebt.

Das konnte man mir damals schon nicht ausreden. Mit Verwandten, die es in Karlsruhe auch gab, und mit Schulfreunden hatte ich damals schon einschlägige Streitgespräche. Vor allem wenn sie Gott überhaupt in Abrede stellten oder wenn sie ihn als einen darstellten, der auch nur verlangt, was man zu tun oder zu lassen hat und mit Strafen drohte.

Von Anfang an lernte ich Gott kennen – und zwar in der Gestalt des Jesus aus den Evangelien – , der mich und die ganze Welt in einer sehr menschenwürdigen Art zu lieben begleitet.

Ich denke, so lässt sich erklären, dass ich, wo andere eher von „glücklichen Zufällen“ reden, den – mich und alle – liebevoll begleitenden Gott erkenne und deshalb dann auch gerne seinen Anregungen folge, die andere Menschen eher als „Vorschriften“ verstehen.

Erfahrungen dieser Art, die ich hier meine, sind sowohl alltägliche Kleinigkeiten als auch erstaunliche Geschehnisse. Manchmal sind es auch geradezu „Wunder“.

Wie zum Beispiel die Geschichte mit der jungen afrikanischen Frau. Angefangen hatte es mit ihrem Hilferuf nach einem Ostergottesdienst. Seit zehn Jahren lebte sie „illegal“ und unentdeckt, ausgebeutet als Haussklavin – in Frankfurt. Versuchen, ihr zu helfen? Der Chef der Ausländerbehörde und die Frau in der städtischen Meldestelle sprachen dieselbe Sprache: „Völlig unmöglich!“ Und dann gaben sie doch Zusage und Stempel! Und die Grenzschutzbeamten am Morgen im Zug nach Salzburg machten sich lustig über die Vorstellung, am Nachmittag mit dem legalisierenden Papier aus dem Konsulat wieder einreisen zu dürfen; sie machten schließlich große Augen! Gemeinsames Engagement in der Kirchengemeinde war der Modus, in dem der auferstandene Jesus Christus, unser Gott, den Neustart möglich gemacht hatte!

Und das ist nur ein Beispiel aus einer ganzen Reihe, die es zu erzählen gäbe. Immer wieder neu die Erfahrung mit dem, von dem die Bibel erzählt. Lebendige Begegnungen mit dem, den die am Kreuz hingerichtet hatten, die meinten, so etwas kann und darf nicht sein und ist „unmöglich“.

Aus solchen Lebenszusammenhängen heraus ist es mir zur hilfreichen und lieb gewordenen Gewohnheit geworden, auch alle möglichen Kleinigkeiten im Alltag in einem Zusammenhang zu sehen mit dem Gott, der mich – ebenso wie jeden anderen Menschen – liebend begleiten will und der zu eigenen, in Freiheit verantworteten Schritten ermutigt.

Ohne dieses Bewusstsein und diese Gewissheit würde ich solche Kleinigkeiten wahrscheinlich als „Glück gehabt“ oder als erfreulichen „Zufall“ deuten. Mein „Bewusstsein“ dieser Art beginnt auch immer wieder in solchen „Glück-gehabt-Zufälligkeiten“ – mit einem (manchmal nur gedachten) „Gott sei Dank“ oder mit einem ausdrücklichen „Danke, Gott!“ Und wenn sich – an einem Tag – solche „Zufälligkeiten“ häufen, so dass es „auffällig“ wird, dann geht das bis dahin, dass ich mich – wie „verliebt“ – geradezu andauernd von Dir „zärtlich berührt“, „an der Hand gefasst“ erfahre und dann auch einfach fröhlich lache, weil mir das gut tut. Oft warne ich mich dann selber – oder ist das deine Stimme? – , es nicht zu übertreiben.

Beispiel: Für die Zubereitung des Mittagessens muss ich dringend noch etwas einkaufen. Da für den Nachmittag aber ein Termin ansteht und ich vorher unbedingt noch Mittagsschlaf halten will, habe ich keine Zeit zu verlieren. Für den Weg zu Fuß muss ich mich daher beeilen. Kaum bin ich auf der Straße, kommt ein Bus. Da er nur alle halbe Stunde fährt, sage ich beim Einsteigen fröhlich „Danke!“ – unklar, ob zum Fahrer oder zu Gott. Nach dem Schnelldurchlauf im Supermarkt kann ich aus der Warteschlange zur zweiten Kasse hin ausscheren, die gerade besetzt wird. Für den Rückweg, für den ich mich mit meiner vollen Einkaufstasche abschleppe, sehe ich: Oh, da kommt gerade der Bus – der nur alle halbe Stunde fährt! Schöner Zufall? Glück gehabt? Und wenn dann noch zwei oder drei weitere solche erfreulichen Kleinigkeiten aufeinander folgen, dann „kapituliert“ mein Widerstand gegen die verdächtig „frömmelnde“ Deutung und „ich lehne mich“ dankbar lachend sozusagen „an seine Schulter“.

Der Versuchung, das zu missbrauchen und es „drauf ankommen zu lassen“ oder gar seine Begleitung solcher Art einzufordern, halte ich mich bewusst fern: Diese Perspektive gilt nicht im Voraus! Sie stellt sich mir aber oft im Nachhinein ein. Natürlich gibt es – und zum Glück auch! – die anderen Augenblicke, die mir ein „Mist!“ oder „Pech gehabt!“ entlocken. Dann allerdings stellt sich in mir oft eine Art Korrektur ein: Dann wird mir ziemlich schnell die vorteilhafte Seite des „Pechs“ bewusst: Eigentlich wollte ich ja nur – bei dem Regen! – möglichst schnell wieder zuhause sein oder auch rechtzeitig für die „Tagesthemen“. Aber da der Bus mir vor der Nase abgefahren ist, tut mir der halbstündige Fußweg gut, zumal ich heute eh zu wenig Bewegung hatte. Schließlich habe ich ja den Schirm bei mir und an aktuelle Nachrichten komme ich auch anders. Okay, danke, Herr, für den Anlass, mich zu bewegen! Manchmal ist es halt besser, die Dinge laufen nicht so, wie ich es mir in den Kopf gesetzt hatte.

Wie gesagt, hier illustriere ich an Kleinigkeiten, was ich mit „seiner liebenden Begleitung“ meine. Aber die Spuren, die seine Begleitung hinterlässt, zeigen sich mir zu meiner Freude auch immer wieder in größeren und in großen Angelegenheiten des Lebens.

„Seine Spuren zeigen sich mir“ ist dabei eine andere Übersetzung für „er hat sich mir gezeigt“ oder für „ich erkenne ihn“ oder – in der Sprache der Bibel – für „er ist mir erschienen“.

Und was ist dazwischen geschehen – zwischen der Hinrichtung am Kreuz damals und solchen Begegnungen mit demselben Jesus heute? Wie kommt der Tote dazu, so lebendig zu sein? In der Sprache der Geschichte mit der geretteten jungen afrikanischen Frau ist das doch „völlig unmöglich“!

Menschen mit theologischem Forscherdrang haben sich um Erklärungen bemüht. Ergebnislos.

Menschen der Bibel, dort anerkannt als „Engel Gottes“ oder als von ihm gesandte „Apostel“, die ihm „begegnet“ sind, nennen das Geschehen entweder „Er ist auferstanden“ oder „Gott hat ihn vom Tod auferweckt“. Ostern! Staunend, froh und dankbar verwende auch ich diese Worte und lasse mich dadurch auf die Beine bringen.

Zugleich verzichte ich darauf, von ihm einen Ausweis zu verlangen, der mir die Macht geben würde, über seine Existenz und Identität zu richten. Höchste Instanz darüber muss er bleiben. Er respektiert alle, die das Leben anders deuten. Frei und verantwortlich hat er ja den Menschen erschaffen.

Maria Magdalena hat auch erst gemeint, der Mann, dem sie in der Umgebung des Grabes von Jesus begegnet, das sei der Gärtner. Und die beiden über Jesus trauernden Männer auf dem Weg zu Fuß nach Emmaus sehen in dem dritten Mann, der sie begleitet und ihre Trauer mit Blick auf die alte Bibel kommentiert, auch nur irgendeinen Fremden. Ebenso wie die Jünger, die nach dem Tod von Jesus wieder als Fischer am See von Genesareth arbeiten und denen der fremde Mann schlaue Tipps gegeben hat, die sich aber – weil sie sie doch befolgen – als seltsam erfolgreich erweisen.

Nachdem sie alle gesehen hatten: Der Jesus ist gestorben!, wäre keiner von ihnen auf die Idee gekommen zu behaupten, dass er lebt. Aber die Erfahrungen mit ihm haben sie überwältigt!

 

Ergänzungen aus den Vorjahren:

Der Gekreuzigte taucht in ihrer Mitte auf und belebt sie neu zum Frieden für alle.

Aus der Erfahrung von Ostern: „christliche Werte“ fürs persönliche Leben wie für die Politik.

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