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Aufmerksamkeit des Geistes und Aufrichtigkeit des Herzens

Unter dieser Überschrift findet sich

  • im Lektionar II/3 zum Stundenbuch
    für die „Lesehore“ am Mittwoch der 6. Woche in der Osterzeit der Jahre mit gerader Zahl

folgender Text von Sigismund von Storchenau
aus seinen „Geistliche Reden auf alle Sonntage des Jahres“ (1784):

„Jesus Christus will, dass wir bitten sollen. Der echte Begriff einer Bitte schließt notwendig zwei Eigenschaften ein: die Aufmerksamkeit des Geistes und die Aufrichtigkeit des Herzens. Denn eine wahre Bitte besteht nicht nur in gewissen Worten, die der Mund spricht, es müssen auch Geist und Herz einstimmen. Der Geist muss es verstehen, und das Herz muss es wollen, um was gebeten wird. Sonst erhalten wir von Gott nichts.

Wir haben gewisse Gebete, die wir täglich lesen oder aus dem Gedächtnis hersagen. Und was geschieht dabei? Die Lippen bewegen sich, aber die Seele denkt nicht daran. Sie denkt an ganz andere Sachen. Wir würden uns ein Gewissen machen, eins dieser Gebete auszulassen; aber ohne Gewissensbisse bleiben wir in der bösen Gewohnheit, stets unaufmerksam zu beten. Warum also gewöhnen wir uns nicht mehr an das Gebet des Herzens? Warum muss immer das, was wir unserm Herrgott sagen wollen, geschrieben oder gedruckt vor uns liegen? Haben wir ihm wirklich nie etwas anderes zu sagen, als was wir im Gebetbuch lesen? Aber „ob wir laut oder still beten, das Herz soll schreien“, sagt der heilige Augustinus. Aber ich weiß nichts so aus dem Herzen auswendig zu beten. Sonderbar! Es weiß doch der Kranke mit seinem Arzt, das Kind mit seinem Vater, die Braut mit ihrem Bräutigam immer etwas zu reden; und die christliche Seele soll nicht wissen, mit ihrem Gott zu reden, der ihr Arzt, ihr Vater, ihr Bräutigam, ihr alles ist? Sie kennt ja ihre Krankheiten und Schwachheiten, ihre Dürftigkeit, ihr Unvermögen. Unterhalte sie sich also darüber mit ihrem göttlichen Arzt, ihrem göttlichen Vater. Es braucht dazu keine ausgesuchten Worte. „0 Gott, sei mir armem Sünder gnädig“, sprach der Zöllner1. „Herr, wenn du willst, kannst du machen, dass ich rein werde“, rief der Aussätzige2. „Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!“ schrie der Blinde 3. Und ihnen wurden sogleich ihre Wünsche gewährt.

Wenn das Herz also zu Gott redet, muss es auch mit Aufrichtigkeit reden. Ich will sagen, wir müssen aufrichtig wollen, was wir im Gebet begehren. Es scheint zwar das Gegenteil unmöglich zu sein; indessen es geschieht leider. Man betet zum Beispiel um die Gesundheit, meidet aber schädliche Gewohnheiten nicht. Man betet um Befreiung von einer Versuchung, beseitigt aber deren Quelle nicht. Man betet um Verhütung oder Bewahrung von der Sünde und entzieht sich der nächsten Gelegenheit nicht. Mit einem Wort, man betet und verlässt sich in stolzem Vertrauen darauf, als dürfe Gott von uns keine Mitwirkung fordern, und als müsste er nur immer Mirakel wirken. So betende Christen haben in der Tat den Fluch des Psalmisten zu fürchten. „Sein Gebet werde ihm zur Sünde!“4

Seien wir beharrlich im Gebet, wie Lukas5 von dem ungestümen Freund berichtet. So, gleichsam bis zum Ungestüm, müssen wir im Gebet anhalten. Manchmal lässt uns Gott lange warten. Aber klopfen wir nur unermüdet an, es wird uns endlich aufgetan werden6, wenn nicht dann, wenn wir es wollen, gewiss aber dann, wenn es für uns am besten sein wird.“

1Vgl. Lk 18,13. 2Mt 8,2. 3Mk10,47. 4Vgl. Ps 109,7. 5Vgl. Lk 11,8. 6Vgl. Lk 11,9.

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