Beispiel Bibelübersetzung
Häufig erzählen die Evangelien von Menschen in leidvollen Lebenssituationen, die – gerade wegen ihres Leids! – Jesus begegnen und zwar in einer bestimmten Einstellung: die – aufgeschlossen und vertrauensvoll – ihn an sich ranlassen und die dabei richtig „heil“ werden, von ihrem Leid befreit werden. Und Jesus beschreibt dann das Geschehene mit den Worten „Dein Glaube hat dich gerettet.“
Leider übersetzt zwar die (in der katholischen Kirche heute überall verwendete und generell auch von mir hoch geschätzte) Ökumenische Einheitsübersetzung an allen diesen Stellen „Dein Glaube hat dir geholfen.“
Das ist eine sehr bedauerliche Verharmlosung gegenüber dem griechischen Original „η πίστις σου σέσωκεν σε“ (he pístis sou sésoken se): Das Verb „sozein“ meint einfach das existentiell gewichtige Geschehen einer Rettung (Lebens-Rettung, Welt-Errettung; das ist noch viel mehr und noch anstößiger als „Weltverbesserer“); die Einheitsübersetzung bringt in diesem Wissen auch für das zugehörige Substantiv „sotér“ immer die Übersetzung „Retter“, z.B. in Johannes 4,42 – ein Text, der gipfelt in der bekennenden Schlussfolgerung „Er ist wirklich der Retter der Welt!“ Die Verharmlosung lässt sich nachvollziehen mit der fiktiven Analogie: wenn man bei „Stille Nacht“ dessen gipfelnde Aussage „Christus, der Retter, ist da!“ verfremden wollte zu „Christus, der Helfer, ist da.“
Ein Beispiel aus der Öffentlichkeitsarbeit der Kirche
Die übliche Verharmlosung geht bis in die aktuelle Debatte um den sexuellen Missbrauch von Kindern: In Gottes Perspektive, so wette ich, zählt an erster Stelle das solidarische Mitgefühl mit den Opfern einschließlich der Leistung aller möglichen Hilfe – und die Verhinderung, dass sich solche Verbrechen wiederholen. Große Teile der real existierenden Kirche aber bringen einfach nicht das Vertrauen zu Christus auf, dass er für eine erneuerte, dringend notwendige Vertrauenswürdigkeit der Kirche schon sorgen wird, und mein(t)en deshalb, selber durch Vertuschung, Verharmlosung und Hintansetzung solcher Solidarität vorrangig für ihre eigene Vertrauenswürdigkeit sorgen zu müssen. Damit bezeugt sie kontraproduktiv, dass nicht Christus ihr Retter ist, sondern dass sie es selber machen müssen.
Ein Beispiel aus dem Gottesdienst der Kirche
Im „Friedensgebet“ zwischen Vaterunser und Friedensgruß der katholischen Eucharistiefeier ist vorgesehen, dass die Feiernden beten: „Herr Jesus Christus, schau nicht auf unsere Sünden, sondern auf den Glauben deiner Kirche …“ Also an die eigene Schuld und Sünde wird sein Blick nicht rangelassen; er soll nur auf unsere Schokoladenseite schauen. Um uns zu loben? Oder damit er uns nicht bestraft? Oder weil ich selber meine Schattenseiten einfach nicht sehen will? Ist er nicht der „Retter aus Sünde und Tod“? Da fehlt es wohl an Vertrauen! Da halte ich mich doch lieber an andere – im Gebet der Kirche an prominenter Stelle vorgesehene – Worte: „Blick tief in unser Herz hinein, sieh unser ganzes Leben an! Noch manches Arge liegt in uns, was nur dein Licht erhellen kann.“ (im Hymnus der Mittwochs-Laudes „Nacht und Gewölk und Finsternis“) Oder: „Herr, wenn wir fallen, sieh uns an und heile uns durch deinen Blick! Dein Blick löscht Fehl und Sünde aus, in Tränen löst sich unsre Schuld.“ (in dem sonntäglichen Laudes-Hymnus „O ewger Schöpfer aller Welt“).
Ein Beispiel aus dem katholischen Alltag
Katholiken „bekreuzigen“ sich – Fußballer auf dem Spielfeld ebenso wie die Teilnehmenden an einem Sonntagsgottesdienst oder in der Stille Betende. Unter vielen Christen gilt das als das Unterscheidungszeichen der Katholiken. Aber was gibt es da meistens zu sehen, wenn katholische Christen das Kreuz auf sich zeichnen? Welcher Mini-Teil des Körpers wird da bezeichnet – horizontal wie vertikal! Verschämt? bewusstlos? verharmlosend? Im Kontrast dazu beeindruckt es mich immer wieder, wenn ich orthodoxe Christen in ihren Gottesdiensten beim Kreuzzeichen sehe: Da geht der senkrechte Kreuzbalken vom Scheitel bis zur Sohle und der waagrechte von einer Schulteraußenseite bis zur anderen: Dein Kreuz soll mich segnend prägen – so umfassend wie nur möglich; das bringe ich zum Ausdruck – so weit meine Arme eben reichen.
Wie oft wird Gott verharmlost, klein geredet, nicht rangelassen!